Nachbarschaftsvertrag

vom 29. August 2012

zwischen der

Stadt Groitzsch
Markt 1, 04539 Groitzsch

und der

Mitteldeutschen Braunkohlengesellschaft mbH
Glück-Auf-Straße 1, 06711 Zeitz

 

Präambel

Die MIBRAG mbH betreibt den Tagebau Vereinigtes Schleenhain. Der Abbau wird sich zu­künftig vom derzeitigen Abbaufeld Schleenhain in die Abbaufelder Peres und Groitzscher Dreieck verlagern und sich hierbei dem Gebiet der Stadt Groitzsch auf die im Braunkohlen­plan Tagebau Vereinigtes Schleenhain vorgegebenen Abstände annähern. Maßgeblich be­troffen sind davon die Ortsteile Berndorf, Cöllnitz, Droßkau, Großprießligk, Großstolpen, Ho­hendorf, Kleinhermsdorf, Langenhain und Obertitz. Über unabdingbare Veränderungen in der Tagebauentwicklung wird MIBRAG mbH die Stadt Groitzsch frühzeitig informieren.

Die weitere Tagebauentwicklung erfolgt auf der Grundlage der langfristigen energiepoliti­schen Vorstellungen des Bundes und des Freistaates Sachsen innerhalb des durch die Landes- und Regionalplanung verbindlich gesetzten Rahmens sowie unter Beachtung aller gesetzlichen Vorschriften und im Einklang mit den erteilten Genehmigungen. Die räumliche Lage des Einwirkungsgebietes des Tagebaus Vereinigtes Schleenhain ist durch den Braun­kohlenplan, der am 25.08.2011 in Kraft getreten ist, bestimmt.

Mit der Nachbarschaft von Wohnen und Bergbau werden sich trotz aller Anstrengungen durch den Bergbautreibenden in Ausnahmefällen Belastungen für die Lebensqualität, insbe­sondere in Form von Lärm- und Staubimmissionen, sowie infrastrukturelle Eingriffe nicht ver­meiden lassen. Neben notwendigen Schutzvorkehrungen erwartet die Stadt Groitzsch, dass den besonderen Belastungen, denen die Kommune und ihre Bürger im Interesse des Ge­meinwohls ausgesetzt sind, eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird.

MIBRAG mbH ist daher ohne Anerkennung einer Rechtspflicht bereit, die Auswirkungen des Tagebaubetriebs über den durch gesetzliche Regelungen und Genehmigungen fixierten Rahmen hinaus durch freiwillige Leistungen so gering wie möglich zu halten und auszuglei­chen sowie Schutzmaßnahmen so früh wie möglich und notwendig zu realisieren.

Mit diesem Vertrag vereinbaren die Parteien eine langfristige und verlässliche Grundlage für eine gute Nachbarschaft und ein vertrauensvolles Miteinander. Über die Verabredung eines kontinuierlichen Informationsaustausches der Vertragsparteien hinaus sollen Verfahrensre­gelungen zur Vermeidung bzw. zur Bewältigung möglicher Konflikte einvernehmlich getroffen sowie eine bestmögliche Information der Öffentlichkeit und Transparenz gewährleistet wer­den. Von diesem Vertrag unberührt bleibt das Recht der Stadt Groitzsch, in den künftig erfor­derlichen Genehmigungsverfahren für den Tagebau Vereinigtes Schleenhain ihre Interessen konstruktiv zu vertreten.

§ 1
Gegenstand

1.      Die Vertragsparteien erkennen das Interesse an Wohnen mit Lebensqualität einerseits sowie an einem auf
(berg-)technische und betriebswirtschaftliche Erfordernisse auszu­richtenden Bergbaubetrieb andererseits als gleichrangig an. Die Vertragsparteien wer­den alle Fragen, die sich aus der Nachbarschaft von Wohnen und Bergbau ergeben, im Geiste partnerschaftlicher Rücksicht und loyaler Zusammenarbeit lösen. MIBRAG bietet der Stadt Groitzsch daher auch Unterstützung über die unmittelbar einschlägigen Bestimmungen dieses Vertrages hinaus an, sofern die Expertise und Leistungsfähigkeit von MIBRAG sinnvoll und kosteneffizient genutzt werden kann.

2.      Die Vertragspartner verständigen sich einvernehmlich auf Maßnahmen zur Minimierung von Abbauauswirkungen, zur Akzeptanzbildung und zur Zusammenarbeit. Diese werden in der Form konzeptioneller Kataloge zusammengefasst. Die konkreten Maßnahmen werden von MIBRAG mbH jeweils in den alle zwei Jahre neu zu beantragenden Haupt­betriebsplänen beschrieben und beim Sächsischen Oberbergamt zur Zulassung ein­gereicht, soweit eine Festschreibung im Rahmen der Betriebsplanzulassung als erfor­derlich oder geboten erscheint. Rechtzeitig vor Einreichung wird MIBRAG mbH die ge­planten Maßnahmen im Bauausschuss der Stadt Groitzsch vorstellen und erläutern. MI­BRAG mbH informiert außerdem regelmäßig über die Realisierung und den Erfolg der Maßnahmen.

3.      MIBRAG mbH realisiert hierfür in einem ersten Schritt die als Anlage aufgeführten Maßnahmen. Die Anlage ist alle zwei Jahre fortzuschreiben und durch eine mittelfristige Vorschau zu ergänzen. Abgestimmte und im Planzeitraum nicht realisierte Maßnahmen sind bei der jeweiligen Fortschreibung zu berücksichtigen. Bei der Anschaffung oder Ertüchtigung von Geräten/ Anlagen investiert MIBRAG nach dem jeweils geltenden Stand der Technik. Die jeweiligen Maßnahmen sind ortsteilbezogen zu planen und festzuschreiben.

4.      Die Stadt Groitzsch wird im Rahmen der ihr obliegenden Planungen bergbaubedingte Maßnahmen berücksichtigen und insbesondere Flächen, die für Immissionsschutzbe-pflanzungen, andere Schutzmaßnahmen oder Elemente der Tagebauinfrastruktur (z.B. Trassen, Tagesanlagen) erforderlich werden, von entgegenstehenden Planungen frei­halten. MIBRAG mbH ist bereit, die Tagesanlagen (auch nach einer bergbaubedingten Verlegung) im Gebiet der Stadt Groitzsch zu belassen.

§ 2
Kommunikation

1.      Erste Ansprechpartner für die berührten Personen (Privathaushalte, Gewerbetreibende, Handwerker, Landwirte und sonstige Unternehmer) in den betroffenen Ortsteilen sind die Stadtverwaltung und der Stadtrat von Groitzsch sowie die Ortschaftsräte Berndorf und Großstolpen. MIBRAG mbH wird mit diesen alle sich aus dem nachbarschaftlichen Verhältnis ergebenden Fragen erörtern und deren Hinweise, Anregungen oder Beden­ken in angemessener Zeit sorgfältig prüfen.

2.      MIBRAG mbH wird mit dem Stadtrat von Groitzsch im zweijährigen Abstand Maßnah­men zur Zusammenarbeit und zur Akzeptanzbildung einvernehmlich abstimmen und über deren Realisierung und Erfolg regelmäßig informieren.

3.      Die Einwohnerschaft betroffener Ortsteile wird bei Bedarf durch Bürgerversammlungen, eine Informationstafel in der Ortslage und über Informationsblätter, die an jeden Haus­halt ausgegeben werden, über die Tagebauentwicklung und die vorgesehenen Maßnah­men informiert.

4.      Die notwendigen organisatorischen Kosten werden von MIBRAG mbH getragen.

§ 3
Leistungen

1.      Hauptgegenstände der Abstimmungen und Leistungen zwischen den Vertragspartnern bilden die Themenkomplexe Immissionsschutz, Grundwasserentwicklung, Natur und Landschaft sowie Gemeinschafts- und Wirtschaftsleben.

2.      Besondere Bedeutung hat für die Vertragsparteien die Ausbildungsförderung als Zu­kunftssicherung für nachfolgende Generationen:

MIBRAG mbH wird Schüler aus der Stadt Groitzsch bei der Vergabe von Ausbil­dungsplätzen unter Beachtung ihres betrieblichen Bedarfes und der jeweiligen Qualifikation angemessen berücksichtigen;MIBRAG mbH wird Partnerschaften bzw. Kooperationen mit den Schulen und Kinder­gärten der Stadt Groitzsch unterhalten. Sie wird die Stadt Groitzsch auch bei der Er­haltung der zugehörigen Infrastruktur (Sportanlagen, Spielplätze) angemessen unter­stützen.

3.      MIBRAG mbH ist bestrebt, ihr Auftragsvolumen in der Region zu halten und wird daher weiterhin ihre Ausschreibungen so gestalten, dass auch kleine und mittlere ortsansäs­sige Unternehmen sich beteiligen können. Bei Erfüllung der jeweiligen Qualifikationsan­forderungen werden lokale Unternehmen bei der künftigen Auftragsvergabe angemes­sen berücksichtigt.

4.      MIBRAG mbH wird ihr Sponsoring auf dem Gebiet der Stadt Groitzsch im bisherigen Umfang aufrechterhalten und in geeigneten Fällen ausbauen.

5.      MIBRAG mbH beabsichtigt gegenwärtig Abstimmungen mit der Finanzverwaltung über die künftige Verteilung des von MIBRAG zu zahlenden Gewerbesteueraufkommens. Ziel ist u.a., die Stadt Groitzsch angemessen zu beteiligen. Die Letztentscheidung obliegt der zuständigen Finanzverwaltung in Zeitz.

§ 4
Vertraulichkeit / Datenschutz

1.      Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind ebenso wie personenbezogene Daten durch die Vertragsparteien strikt vertraulich zu behandeln.

2.      Die Vertragsparteien werden bei der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbe­zogener Daten im Zusammenhang mit der Durchführung dieses Vertrages nur auf das Datengeheimnis (§ 5 BDSG) verpflichtetesPersonaleinsetzen und diese nur im Rah­men der Durchführung dieser Vereinbarung verwenden. Die Vertragsparteien tragen dafür Sorge, dass von ihnen verwendete personenbezogene Daten rechtmäßig erhoben wurden. Eine Weitergabe personenbezogener Daten des anderen Vertragspartners an Dritte ist unzulässig, soweit dies nicht auf Grund eines Gesetzes oder einer unter­gesetzlichen Norm oder eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes vorgeschrieben ist.

§ 5
Allgemeine Regelungen

1.      Änderungen dieses Vertrages, einschließlich dieser Schriftformklausel selbst, bedürfen der Schriftform nach § 126 Abs. 1 und 2 BGB.

2.      Sollte in diesem Vertrag irgendeine Bestimmung aus materiellen oder formellen Grün­den rechtsungültig sein oder werden, so soll die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen dadurch nicht berührt werden. Die Vertragspartner sind verpflichtet, die ungültige Be­stimmung von Beginn der Ungültigkeit an durch eine ihr im wirtschaftlichen Erfolg nach Möglichkeit gleichkommende, widrigenfalls am nächsten kommende Regelung zu erset­zen.

Sollte in diesem Vertrag ein regelungsbedürftiger Punkt versehentlich nicht geregelt worden sein, so sind die Vertragspartner verpflichtet, die so entstandene Lücke im Sinne und Geiste dieses Vertrages durch eine ergänzende Vereinbarung zu schließen.

Sollten sich die dem Vertrag zugrundeliegenden technischen, wirtschaftlichen oder rechtlichen Verhältnisse so wesentlich ändern, dass die Durchführung des Vertrages unter den bisherigen Bedingungen für einen Vertragspartner dauerhaft eine unbillige Härte bedeuten würde, werden die Vertragspartner die Anpassung des Vertrages im Sinne eines vernünftigen und billigen Interessenausgleiches herbeiführen.

3.      Dieser Vertrag tritt mit seiner Unterzeichnung in Kraft und bleibt wirksam, solange das Gebiet der Stadt Groitzsch vom Tagebau Vereinigtes Schleenhain beeinflusst wird. Den Zeitpunkt des Außerkrafttretens werden die Vertragspartner gemeinsam festlegen. Mit Beendigung der Kohleförderung werden die Vertragspartner diesen Vertrag an die Bedingungen der Wiedernutzbarmachung/Rekultivierung des Tagebaues anpassen.

4.      Jeder Vertragspartner erhält eine Ausfertigung des Vertrages.      

                                                                        

Stadt Groitzsch                Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft mbH  
Maik Kunze
Bürgermeister
  Dr. Joachim Geisler
Vorsitzender  der Geschäftsführung
Horst Schmidt
Geschäftsführer